Wann bilden sich Knospen?

Uncategorized Dec 21, 2023

 

Eh klar!

Vielleicht ging es dir ja wie mir, dem Herrn Naturwissenschaftler. OK, bei mir Chemie, aber irgendwie hatte ich ja dann davon ausgehend in eh fast allem zumindest den Grund-Durchblick. Diese selbstüberhöhte Haltung begann in der Pubertät und hat mich in Wellenbewegungen bis vor wenigen Monaten nie wirklich gänzlich ausgelassen.

Wobei da gab es mehrere Tiefschläge. Und von einem mag ich dir hier erzählen. Eventuell hast du diese Erkenntnis-Supernova selbst durchlebt, dann kannst du während der nächsten Minuten Lesens mitleidig nicken, oder du stehst kurz davor: dann fasten your seatbelt ... es wird exorzistisch. Mindestens!

Das Leben eines ganz normal aussergewöhnlichen Mitmenschens, mit Säulen wie "Die Erde ist eine Kugel die durchs Weltall rast" und dem Newtonschen Apfel, der immer zu Boden fällt und noch zahlreich anderen, nicht mehr hinterfragwürdigen Konstanten ... inklusive dem unerschütterlichen Wissen, dass unsere heimischen Bäume und Sträucher ihre Knospen im Frühjahr bilden. Kindergarten-Universitäts-Level. Eh klar!

 

Logik matters

Und irgendwann im Zuge eines Wildniskurses, ein kleiner NoNa-Fragen-Test. Wie das denn so ist mit dem Winter und den Pflanzen. Warum das Laub abgeworfen wird, und welche Nadelbäume das nicht machen und wann dann wieder der Saft in den Bäumen fliesst und lauter so - Kinder-Trivial Pursuit Fragen halt. Wiss ma eh, und i sowieso. Abschluss war dann noch ein: " ... und im Frühjahr dann bildet der Baum die Knospen, aus dem sich dann die Blätter entfalten ...?!" mit so einer Suggestiv-Note in Tonalität und Grimasse.

ALLE waren wir uns einig, dass dem so ist. Wie auch sonst, wäre ja unlogisch, oder?

 

Beiläufig

Kurze Zeit später zogen wir samt Gruppe und Mentoren durch winterlich angezuckerten Wald und angefrostete Wiese und in einem Moment, als ich nahe am Waldrand, Baumästchen streifend, entlang träumte, gesellte sich einer dieser "Coyote Lehrer" zu mir, blieb unvermittelt vor mir stehen und begutachtete mit Oskar-reifem Gehabe einen solchen jungen Baumtrieb und zwar völlig entgeistert.

Nach einer dramaturgischen Pause drehte er sich zu mir und fragte mich mitten ins Gesicht: "Wie kann das denn sein, dass da die Knospen schon dran sind? Ist das leicht die Klimaerwärmung?" Ich entgegnete stammelnd etwas wie "Äh also eh puh ..." und schon bald rief er alle anderen herbei, um diese bahnbrechende Entdeckung mit der ganzen Gruppe zu teilen.

 

Es lässt mir keine Ruhe

Einer hat ja immer den "Bright Mind", den erhellten Geist, und somit konnten wir die falsche Fährte und unsere jahre- oder gar jahrzehntelange "Lebenslüge" .. ok, den Trugschluss aufklären, dass - ja jetzt kommt's: Unsere heimischen Bäume und Sträucher ihre Knospen bereits mit Ende ihres alljährlichen Vegetationszyklus anlegen.

Und das wiederum hat mich zum Nachforschen gebracht, warum und wie und überhaupt und diesbezüglich mag ich deiner Neugier und Wissbegierde auch ein paar Häppchen zum Fraß vorwerfen - Knospen KnowHow quasi.

 

 

Quick and dirty - Knospen-Slam

Knospen sind Punkte an der Sprossachse, an denen Pflanzen wachsen und austreiben können. Diese Wachstumspunkte sind junge, noch unentwickelte Triebe. Jede Knospe besteht aus teilungsfähigem Gewebe und ist von kleinen Blättchen umgeben. Diese werden Knospenschuppen genannt. Diese fungieren gerade in unseren Breitengraden wie ein Schutzschild - mal behaart und pelzig, mal hart wie ein Panzer, oft umgeben von klebrigem Harz. So schützt die Knospe die empfindlichen kleinen Blätter und Blüten vor dem Frost.

Man unterscheidet Blattknospen von Blütenknospen und gemischten Knospen, je nachdem, ob sie nur Blattanlagen, nur Blütenanlagen oder beides enthalten. Und natürlich kann man das in der Botanik bis zur Bewusstlosigkeit vertiefen.

Grob zusammengefasst: In den Knospen befinden sich die Anlagen für Blüten und Blätter des nächsten Jahres. Das heißt: Der Grundbaustein für die im Frühjahr austreibenden Blüten und Blätter wird bereits im Herbst gelegt. Kaum vorstellbar, was eine kleine Knospe im Frühling alles hervorbringt. Und ja, dass die schon im Herbst gebildet werden war vielleicht irgendwann eine "Entscheidung" als Wettbewerbsvorteil, denn im Frühjahr muss es schnell gehen, der Kampf ums Licht beginnt.

 

Gehaltvolles Wunderwerk

Mit dem Zauberwort Meristeme sind die Wachstumszentren der Pflanzen gemeint. Sie befinden sich an den Spitzen von Stielen, Wurzeln und in Knospen. Diese Bereiche sind außergewöhnlich aktiv, da sie sich durch Zellteilung ständig erneuern und dadurch neues Gewebe bilden. 

Dabei sammeln sich ebendort, einerseits aus vorher erwähnten Frost- und Fraßschutz-Gründen, aber auch als Nährstoff-Reservoir zig bis hunderte unterschiedliche, hochaktive Substanzen auf engsten Raum bzw. werden dort gebunkert oder vor dem Austreiben gebildet.

Also ist die Knospe, besonders kurz vor dem Austreiben randvoll mit pflanzlichen Wirkstoffen.

 

 

Quelle des Interesses

Ganz klar ist für diverse Lebewesen so eine Knospe ein Leckerbissen. Man denke an die Rehe, die in der schneebedeckten Landschaft (ok, romantische Vorstellung) nur mühsam an das eh nur rudimentär vorhandene Bodengrün kommen können. Da sind Knospen halt zum Knuspern gut. Energie-Lieferant.

Auch unsere Vorfahren ohne Supermarkt, wussten um dieses Ressource und sammelten neben "Dies" und "Das" auch Knospen von Bäumen und Sträuchern. Aber ganz egal ob Urzeitmensch oder Feldhase, wo die Knospe abgeknabbert oder abgezupft wurde, kann der Baum oder Strauch entweder nicht in die Länge wachsen und/oder Blätter bilden und/oder Blüten bilden.

Achja, auch der Neuzeit-Mensch hat sein Interesse an Knospen wiederentdeckt. Und zwar in Form der Gemmo-Therapie. Ein Zweig der Phyto-Therapie, der sich die "bio-aktiven" Substanzen zur Gesundheitserhaltungsunterstützung (da sagt doch keiner Heilung, oder?)  zu Nutze machen will.

 

Maß und ähm Evidenz?

Wenn du Knospen knabbern willst, probier es mal aus, aber wichtig: es gibt auch giftige Baum- und Strauchwesen, informiere dich und sei SICHER was du da in dich reinstopfst, denn für das ungeübte Auge schaut schnell alles gleich aus. Aber mit Maß, kein Marodieren. Das würde nämlich auch der Waldbesitzer und Förster nicht toll finden, sind ja von Rechtswegen seine Bäume, klar oder?

Und betreffend Gemmo-Therapie ... die ist ja gerade ganz "in" und ... ich werde da mal einen Podcast zu machen, fühl ich grade. Denn zum Zeitpunkt des Schreibens ist die wissenschaftliche (Studien!) Evidenzlage ... sagen wir mal gnädig - dünn wie Tengu Japanpapier.

 

Ich hoffe ich konnte dich anhand eines der größten Irrtümer meiner anekdotischen Aufarbeitungen auf eine kleine, erhellende  Knospenreise mitnehmen.

Martin

PS: Knabber-Tipp: Linden-Knospen! 

 

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